Was die Krise mit den Schülern macht
Auch wenn einige Schüler gerade wieder zum Lernen in ihre Klassenzimmer dürfen, ist der Fernunterricht für viele andere noch immer nicht beendet. Was das für Folgen hat, berichten Schulleiter der Filder. Sie sprechen dabei auch über Dinge, die Halt geben.
Von Natalie Kanter // Die Publikation dieses Textes erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Filder-Zeitung (23.03.2021)
Leinfelden-Echterdingen/Degerloch.
Über Monate hinweg durften Kinder und Jugendliche wegen der Pandemie nicht in die Schule, viele Realschüler und Gymnasiasten müssen teils noch immer von zu Hause aus lernen. Was macht das mit den Kindern? Antworten auf die Frage gibt es möglicherweise nach den Pfingstferien, wenn wieder mehr Prüfungen geschrieben wurden, dann könne man laut Peter Hoffmann, Leiter des Degerlocher Wilhelms-Gymnasiums, abschätzen, wie groß die Lücken sind, die durch die Schulschließung entstanden sind. Vermutlich werden die Antworten auch sehr unterschiedlich ausfallen. Grundsätzlich gehe die Schere zwischen lernstarken und lernschwachen Kindern aber weiter auseinander.
Heike Hauber, Rektorin der Leinfelder Immanuel-Kant-Realschule, sagt: „Kindern, denen es schwer fällt, sich zu motivieren, fällt dies auch zu Hause nicht leicht.“ Schüchterne melden sich derweil im Online-Unterricht teils sogar öfters zu Wort als im Klassenzimmer. „Manche haben im Punkt Selbstständigkeit unheimlich viel dazugelernt“, sagt der Degerlocher Schulleiter. Andere scheitern genau daran. Die Ungerechtigkeit, dass die Leistung der Schüler noch immer stark von ihrer häuslichen Umgebung abhänge, verstärke sich durch den Fernunterricht. Manche Kinder und Jugendliche werden depressiv oder entwickeln Essstörungen. Andere würden aus der Krise sogar in ihrer Persönlichkeit gestärkt herausgehen. Zu Beginn der Coronakrise berichteten Eltern in Leinfelden dem Kollegium der IKR, dass ihre Kinder immer länger im Bett liegen blieben, bis sie dann irgendwann ihre Aufgaben erledigen würden. Dass Schüler aus ihrem Rhythmus fallen, wollte man aufhalten und kam zum Schluss, dass der Nachwuchs auch zu Hause einen festen Rahmen seitens der Schule brauche, erläutern Heike Hauber und Vize-Rektor Burkhart Firgau unserer Zeitung. Seitdem läuft der Online-Unterricht an der IKR nach einem festen Stundenplan. „Daran können sich die Schüler festhalten, das hilft ihnen unglaublich“, sagt Hauber. Für die Siebt- bis Neuntklässler habe sich an dieser Situation nichts geändert. Wenn auch die Abschlussklassen sowie die Fünfer und Sechser wieder mit Maske und in kleinen Gruppen zum Unterricht in die Schule dürfen.
Für alle anderen findet der gerade jetzt so wichtige direkte Austausch zwischen Lehrer und Klasse in Videokonferenzen statt. „Auch Gruppenarbeit ist so möglich, Partner wie die Wilhelma-Schule können mit eingebunden werden“, berichtet Firgau. Die Leinfelder Realschule habe einen Digitalisierungsschub erfahren. Man habe den Umgang mit der modernen Technik gelernt. Die Schüler würden im Online-Unterricht nicht den ganzen Tag vor dem Bildschirm sitzen. Auf einen Wechsel zwischen Videobesprechungen und Aufgaben, welche die Schüler eigenständig erledigen, werde geachtet. „Wir haben bewusst Sport mit eingebaut“, sagt er. „Das geht mittlerweile auch gut online.“
Wenn es wieder mehr Normalität im Schulalltag gibt, müssten die Kinder und Jugendlichen erst einmal dort abgeholt werden, wo sie dann stehen, sagt Heike Hauber. Man müsse auch eine Lösung dafür finden, dass fortan weniger Kinder auf einer Schule angemeldet werden, wo sie keine Chance haben, sich gut zu entwickeln. Bisher sei aber kein Trend erkennbar, dass schwache Schüler wegen Corona und dem Fernunterricht in andere Schularten abrutschen. Vom örtlichen Gymnasium gab es laut der IKR-Leiterin zum Halbjahr zwar Anfragen für einen Wechsel auf ihre Schule. Aber nicht mehr als sonst. „Wie viele Anfragen dazu am Ende des Schuljahres kommen werden, darauf bin ich selbst gespannt“, sagt sie.
Peter Hoffmann sieht es als Aufgabe der Schule an, Kinder, die aufs Gymnasium gehören, durch Förderunterricht so fit zu machen, dass sie die Schule nicht wechseln müssen. Individuelle Lernerfolge müssten, wenn wieder mehr Präsenzunterricht möglich ist, behutsam begleitet werden. „Wir Lehrer können im Fernunterricht teils nur schwer einschätzen, wie weit jemand ist.“ Auch am Degerlocher Gymnasium darf bisher nur ein Teil der Schüler in kleinen Gruppen zurück in die Schule.
Bei Fremdsprachen oder beim naturwissenschaftlichen Experimentieren sieht er Bedarf Dinge nachzuholen. Vorteile biete der G9-Zug der Schule: „Bei jüngeren Schülern haben wir so mehr Zeit, mögliche Lücken aufzuarbeiten“, sagt er. Man sei bestrebt, den Zustand der geteilten Klassen schnell zu beenden. Das sei aber nur mit einer guten Teststrategie an der Schule möglich. „Wir tun unser Bestes“, sagt die Schulleiterin Heike Hauber. „Aber alle sind froh, wenn sie wieder in die Schule dürfen.“
Text: Filder-Zeitung vom 23.03.2021
Bild: AmrThele @ Pixabay